Was ein Social Entrepreneur bzw. Social Entrepreneurship ist, wird den meisten von uns mittlerweile geläufig sein. Hinter diesem Begriff verbergen sich junge Unternehmer*innen bzw. Unternehmen, die sich aufgemacht haben, mit neuen Geschäftsmodellen wirtschaftliches Handeln mit einem sozialen Mehrwert zu verbinden. Dazu zwei Beispiele:
- Das Startup Wazi Vision macht einen Sehtest bei Kindern für nur einen US-Dollar – mithilfe einer Smartphone-App und einigen einfach zu transportierenden Geräten. Diese „mobile Klinik“ ist somit auch in der Lage Kinder in abgelegenen Gegenden zu erreichen. Wenn der Sehtest abgeschlossen ist, sendet die App die Werte an die Designer des Teams. Diese fertigen ein günstiges Brillengestell aus recycelten Kunststoffen an.
- Das Berliner Unternehmen goood bietet einen günstigen Telefontarif, mit dem man gleichzeitig Gutes tun kann: Von der Grundgebühr gehen automatisch zehn Prozent an gemeinnützige Organisationen.
Aber was verbirgt sich eigentlich hinter dem Begriff Ecopreneur bzw. Ecopreneurship? Hier geht es um Unternehmungen mit einer vorrangig ökologischen Mission.
Insbesondere im Kielwasser der Digitalisierung sind neue, innovative Unternehmen, die sich der Nachhaltigkeit verschrieben haben, entstanden. Von Lösungen gegen Lebensmittelverschwendung über den Schutz von Meerestieren bis hin zum schlauen Einsatz erneuerbarer Energien – wie die folgenden Beispiele zeigen, ist das Spektrum groß:
- Das finnische Startup RePack hat ein Pfandsystem für Versandverpackungen entwickelt. Damit soll der Verpackungsmüll des stetig wachsenden Onlineversand deutlich reduziert werden.
- Der Banana Pinger ist ein einfaches, kleines und günstiges Gerät des britischen Meerestechnikunternehmens Fishtek Marine. Indem es an den Netzen angebracht wird und akustische Signale aussendet, könnte das Gerät tausende Delfine und Wale davor bewahren, als Beifang zu enden.
- Einen Straßenbelag, der Sonnenlicht in Strom umwandelt, Schall schluckt, Stickoxide abbaut, im Winter Eis abtaut, wertvolle Daten zur Verfügung stellt und E-Mobile mit Strom versorgt, hat das junge Unternehmen Solmove mit seinem „Voltstreet“-Konzept umgesetzt. Der erste solare Radweg ist bereits installiert.
- Der Strommarktplatz Enyway will die großen Energieversorgungskonzerne überflüssig machen. Das Konzept: Auf der Plattform werden grüne Energieerzeuger – kleinere wie größere – direkt mit den Verbrauchern zusammengebracht. Einen Mittelsmann wie einen Energiekonzern braucht es nicht mehr, der Energiemarkt wird dezentralisiert.
- Mit dem CityTree schlägt Green City Solutions gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe: Der CityTree filtert CO2 aus der Luft, liefert mittels IoT Umweltdaten und sorgt für einen Kühlungseffekt im direkten Umfeld. Der Bio-Tech-Filter ist eine rechteckige Fläche, die mit Moosen bewachsen ist, sich fast überall in der Stadt aufstellen lässt und nach Angaben des Unternehmens in seiner Wirkung einen kleinen Wald ersetzt.
- WEtell ist der erste Mobilfunkanbieter, der klimapositiv, datensicher und transparent und fair ist.
Ecopreneurship – Worum geht es?
Was also haben die erwähnten Beispiele gemeinsam? Vor allem eines: Mit einem entsprechenden Geschäftsmodell wollen Ecopreneure ein konkretes umweltbezogenes Problem lösen. Dabei zeichnen sie sich durch einen hohen Innovationsgrad aus. Sie begeben sich auf die Suche nach Marktnischen und wollen mit kreativen Lösungen ihre Vision einer lebenswerten und nachhaltigen Umwelt in die Tat umsetzen. Im Zentrum sämtlicher unternehmerischer Aktivitäten steht bei Ecopreneuren daher die Entwicklung und Verbreitung ökologieorientierter Innovationen.
Damit grenzt sich Ecopreneurship deutlich von dem oft „flickschusterartigen“ Umweltmanagement vieler Großunternehmen ab, das sich oft darin erschöpft, lediglich die Umweltkosten zu senken. Ohne Frage, die Umweltschutzmaßnahmen vieler Unternehmen – der achtsame Umgang mit Ressourcen, der Einsatz erneuerbarer Energie, ein gutes Abfallmanagement – haben in vielen Fällen zu einer erfreulichen Reduktion von negativen Umwelteinwirkungen geführt. Aber der Umweltschutz hat bei diesen Unternehmen kaum Eingang in das Kerngeschäft gefunden.
Auch wenn Ecopreneure häufig noch unter den Begriff Social Entrepreneurship gefasst werden, so etabliert sich zunehmend die Verwendung eines eigenen Begriffs – und aktuelle Zahlen zeigen, dass grüne Unternehmungen durchaus einen eigenen Namen verdient haben: Laut einer Studie des Borderstep-Instituts (pdf) wurden von 2006 bis 2014 rund 21.100 Betriebe pro Jahr gegründet, die sich der Green Economy zuordnen lassen. Dies entspricht einem durchschnittlichen Anteil an grünen Gründungen von 14,7 Prozent.
Think big!
Viele durch alternatives Wirtschaften gekennzeichneten Anbieter agieren vor allem in einer „Alternativ-“ oder „Öko-Szene“ unter ihresgleichen und bedienen mit ihren Öko-Produkten Marktnischen. In den meisten dieser Unternehmungen gilt: „Small is beautiful.“
Im Gegensatz dazu ist für Ecopreneure erstens Nachhaltigkeit das wichtigste Ziel und zweitens wollen sie mit ihrem Produkt oder Service eine möglichst große Marktwirkung ausüben. Das Motto: „Think big“. Das Streben nach Wachstum aus der Gründungsphase heraus wird als wichtiges Kriterium für Entrepreneurship allgemein gewertet. Gleiches gilt für Ecopreneure: Auch sie verhalten sich marktorientiert und hegen ambitionierte Umsatzziele – aber natürlich mit Öko-Impact.
Königsdisziplin: Kreislaufwirtschaft
Bei der Entwicklung von Produkten, die einen positiven Beitrag leisten sollen, spielen systematische Lebenszyklusanalysen eine große Rolle. Sie untersuchen, welche wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Effekte und Kosten im gesamten Entstehungs-, Nutzungs- und Verwertungsprozess eines Produkts entstehen. Daher gehören Lebenszyklusanalysen zum Handwerkszeug eines echten Ecopreneurs.
Innerhalb dieser Lebenszyklusanalysen gibt es zwei Konzepte: die Öko-Effizienz und die Öko-Effektivität bzw. Konsistenz. Öko-effizient ist ein Produkt dann, wenn über den gesamten Lebenszyklus Material- und Energie eingespart und Schadstoffe vermindert werden. Öko-Effektivität geht noch darüber hinaus und zielt auf eine Kreislaufwirtschaft (Circular Economy/ Cradle to Cradle Design) ab. Öko-effektive Produkte sind damit solche, deren Ressourcen möglichst lange in einem Kreislauf zirkulieren. Dadurch sind weniger Ressourcen nötig, was zu einer langfristigen Lösung ökologischer Probleme beitragen kann.
Was sind die Wurzeln des grünen Unternehmertums?
Auch wenn es sich bei dem Begriff um eine relativ neue Wortschöpfung handelt, so lassen sich Unternehmen, die sich auf eine ökologische Mission begeben, bis in die 1920er Jahre zurückverfolgen. Schon im Rahmen der Reformbewegung und der Anthroposophie wurden Unternehmen gegründet, die sich einer naturverbundenen Lebensweise und der biologisch-dynamischen Landwirtschaft verschrieben haben.
Weiter Fahrt aufgenommen haben Ideen des alternativen Wirtschaftens dann durch die sozialen Bewegungen der 60er und 70er Jahre. Im Laufe der Zeit haben sich diese Ansätze und Unternehmen weiter professionalisiert und mehr in das Marktgeschehen integriert. Erstmalig aufgekommen ist der Begriff des Eco-Entrepreneurships Anfang der 2000er Jahre. Bis heute gibt es keine einheitliche Verwendung des Begriffs und die Bedeutung wird sehr weit gefasst als eine bewusste unternehmerische Ausrichtung des Kerngeschäfts an Ideen zur Lösung oder Minderung ökologischer Probleme.
Nachhaltiges Unternehmertum in Zahlen
In welchen Geschäftsfeldern bewegen sich Ecopreneure? Und gibt es regionale Unterschiede in Bezug auf die Gründungsdichte? Der Green Economy Gründungsmonitor 2017 (pdf) des Borderstep-Instituts gibt einen guten Überblick (allerdings sind die Zahlen nicht ganz trennscharf, da von grünen Startups und Green Economy gesprochen wird, die im engen Sinn auch, aber nicht nur Ecopreneure meinen):
- 40 Prozent der grünen Gründungen haben ihren Schwerpunkt im Bereich Energieeffizienz.
- Auf die Bereiche Kreislaufwirtschaft, nachhaltige Ernährung und Landwirtschaft fokussieren 17 Prozent der grünen Gründungen.
- Rund die Hälfte aller grünen Gründungen sind Dienstleistungsunternehmen. Die Schwerpunkte sind in den Bereichen Handel sowie gebäudebezogene Installationen.
- Die höchste grüne Gründungsintensität wiesen Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Hamburg von 2006 bis 2016 auf. Einen Einfluss darauf haben die jeweiligen Wirtschafts- und Forschungsinfrastruktur, Förderbedingungen und Energiewende-relevante Standortbedingungen.
- Eine der größten Herausforderungen für grüne Startups stellt die Kapitalbeschaffung dar, und zwar in höherem Maße als bei sonstigen Gründungen, da meist mehr Startkapital nötig ist.
Weltrettung mit grünen Geschäftsmodellen?
Nicht alle sind davon überzeugt, dass mit unternehmerischem Handeln echte Lösungen für den Umwelt- und Klimaschutz gefunden werden können. Wie soll der Erhalt unseres Planeten mit den Mitteln gelingen, die viele der Probleme erst ausgelöst haben (wachstumsorientierte, kapitalistische Wirtschaftsmodelle)? Und werden dadurch nicht vorherrschende Wirtschaftsmethoden weiter gestärkt, anstatt neue, alternative Wege zu gehen? Ecopreneure sehen das anders: Ökologische Problemlösungen sind in ihrer Wirkung stark beschränkt, wenn sie in einer Nische verhaftet bleiben oder die Marktetablierung erst gar nicht gelingt. Durch die marktwirtschaftliche Erneuerung „von innen“ hingegen kann die Umweltqualität maßgeblich verbessert werden – nämlich dann, wenn es einem Unternehmen gelingt, eine ökologische Leistung so attraktiv zu gestalten, dass sie sich auf dem Massenmarkt durchsetzt.
Aber aufgepasst: Nicht jeder, der sich auf die Fahnen schreibt, ein Ecopreneur zu sein, ist dies auch und verfolgt wirklich ein ökologisches Ziel. Viele Unternehmen haben zum Beispiel einzelne Gedanken des Eco-Entrepreneurship aufgenommen und werbewirksam in ihre Marktstrategien und CSR-Konzepte integriert. Die genaue Arbeitsweise und der Impact werden aber oft nicht transparent kommuniziert.
Aber gerade die Transparenz in den Geschäftstätigkeiten und in der Unternehmenskultur macht hier den Unterschied. Werden die unternehmerischen Handlungen klar kommunizierte und hinterfragt sich das Unternehmen in seinen Strukturen stetig selbst, ist für alle ersichtlich, was hier passiert und wofür das Unternehmen steht. Gleichzeitig ermöglichen diese Strukturen, den Kurs nicht aus den Augen zu verlieren, das heißt die ethischen Ziele konsequent zu verfolgen und sich nicht von einem Wirtschaftssystem vereinnahmen zu lassen, das ausschließlich auf maximale Profite und Wachstum um jeden Preis ausgerichtet ist.
Fahrtwind für Ecopreneure
Die Ergebnisse der Borderstep-Studie zeigen, dass der zukünftige Finanzierungsbedarf bei grünen Gründungen wesentlich größer ist (im Mittel 200.000 €) als bei nicht-grünen Gründungen (im Mittel 35.000 €). Daher ist die anfängliche Hürde, aus einer Idee ein Unternehmen zu entwickeln, um einiges höher. Doch mit Blick auf wachsende ökologische Herausforderungen einerseits und umweltpolitische Zielsetzungen andererseits brauchen wir Geschäftsmodelle, die sich diesen Herausforderungen annehmen, mehr denn je. Um diese zu unterstützen gehört:
- eine engagiertere und gezieltere Gründungsförderung für Ecopreneure und grüne Startups
- mehr Unterstützung seitens der Politik, sowohl was den Abbau regulatorischer und bürokratischer Hürden als auch die Kapitalbeschaffung angeht.
Auch wir leisten mit RESET einen Beitrag: Wir begleiten Ecopreneure und grüne Gründer auf dem Weg zu einer erfolgreichen Finanzierung (Seed, Early Stage, Growth Capital), geben praktische Hilfestellungen und beantworten Fragen zum nachhaltigen Geschäftsmodell und zur Finanzierung. Mehr Infos unter Green Impact Finance.
Autorin: Sarah-Indra Jungblut (RESET-Redaktion), Mitarbeit: Dr. Paul Stadelhofer / Februar 2019