Greening the City: Strategien für einen Green New Deal der Städte

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Green New Deal

Bis zum Jahr 2050 werden schon über zwei Drittel der Menschheit - sechs Milliarden Erdbewohner - in Städten leben. Damit sind Städte mit ihrem massiven CO2-Ausstoß schon jetzt die „Tatorte” der Klimaverschmutzung, gleichzeitig werden sie aber auch zu Versuchslaboren für Veränderungen hin zu einer grüneren Zukunft. Wie können solche Veränderungen aussehen?

Autor*in Sarah-Indra Jungblut, 20.09.10

Bis zum Jahr 2050 werden schon über zwei Drittel der Menschheit – sechs Milliarden Erdbewohner – in Städten leben. Damit sind Städte mit ihrem massiven CO2-Ausstoß schon jetzt die „Tatorte” der Klimaverschmutzung, gleichzeitig werden sie aber auch zu Versuchslaboren für Veränderungen hin zu einer grüneren Zukunft. Wie können solche Veränderungen aussehen?
Der Begriff Green New Deal steht für visionäre Lösungsansätze und neue Modelle einer gerechten, ökologischen und lebenswerten Gesellschaft.

„Greening the City” war der Titel einer  Veranstaltung der Heinrich-Böll-Stiftung am 17. September im Rahmen der Clean Tech World auf dem Flughafen Tempelhof. Gefragt wurde nach der Rolle, die grüne Politikansätze aktuell für die Städte spielen. Dazu gab es Vorträge in den Bereichen urbane Mobilität, Energiewende und nachhaltiger Städtebau mit Beispielen aus Bremen, Hamburg, London, Barcelona, Amsterdam und Ulm. Ich werde hier einige für mich bemerkenswerte Projekte und Ansätze vorstellen. Wer sich noch genauer informieren will, kann das hier tun.

Als wesentliche Punkte für den nachhaltigen Städtebau betonte Kees Kaan (Architekt und Urbanist Amsterdam) und Sergi Alegre (Stadtrat für Stadtentwicklung El Prat de Llobregat-Barcelona) die Notwendigkeit der Verdichtung und maximalen Ausschöpfung des urbanen Raumes, um engen Stadtgefügen gerecht zu werden, aber auch der Flächenausdehnung der Städte entgegenzuwirken. Das heißt, das weniger Häuser tatsächlich neu gebaut werden sollten, sondern vor allem der Raum in bestehenden Gebäuden maximal ausgeschöpft wird und energiesparende Aspekte miteinfließen sollten. So wird zum Beispiel in Bürogebäuden die meiste Energie für Licht verbraucht; eine Architektur, die die Räume für einen maximalen Lichteinfall öffnet, ist für sich schon energiesparend.

Im Raum schwebte auch die Frage, wie viel Platz der Mensch wirklich braucht – in den letzten Jahrzehnten ist die Wohnfläche pro Kopf stark angestiegen, doch die Wohnungen stehen fast den ganzen Tag als ungenutzer Raum leer – ökologisch ist das wenig sinnvoll.

Die Technologie allein kann nicht das Klima schützen! Laut Dr. Fritz Reusswig (Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung) können für eine deutliche Verkleinerung des CO2-Footprints der Städte effizientere und umweltschonende Technologien alleine nicht ausreichen – zeitgleich muss auch jeder das eigene Verhalten ändern bzw. den neuen Technologien anpassen. Dabei geht es vor allem um eine deutliche Niveausenkung – bei allem! Für die Zero-Emission Stadt Masdar gibt es zum Beispiel ein Nutzerhandbuch, das bestimmte Dinge als notwendig festlegt: Mit der durch ihre Bauweise für Kühlung sorgende Architektur können minimal 23°C Schlaftemperatur erreicht werden, kühler geht’s nicht! Damit muss sich jeder Bewohner arrangieren.

80% der Energie in Privathäusern gehen für Strom und Wärmeerzeugung drauf, daher hat die energetische Sanierung Vorrang vor dem Neubau, so Sebastian Tacke von der KlimaGut AG Berlin. Wie sich dies rechnen kann, stellte er mit dem hauseigenen Konzept vor.

Immer mehr Autos verstopfen unsere Städte. Autos nehmen nicht nur Platz weg, der für schönere Dinge als Strassen und parkende Autos (auf Parkplätzen, die eigentlich europaweit fehlen) genutzt werden könnte, sondern erzeugen auch noch Lärm und haben einen gewaltigen CO2-Ausstoss.

Auf Elektroautos zu setzten führt nicht weit – sie sind zwar leiser und CO2-ärmer, doch Platz nehmen sie genauso weg. Daher wird in Städten europaweit überlegt, wie die Autos aus innerstädtischen Bereichen ausgegliedert werden können, für mehr Platz für Mensch und Grün.  Dabei hilfreich sind verschiedene Konzepte: Carsharing und privates Carpooling oder das vorgestellte Daimler-Projekt Car2go: über die Stadt verteilte, jederzeit spontan verfügbare Autos, im Moment als Pilotprojekt in Ulm und Austin, USA. In der Diskussion kam dieses Projekt allerdings nicht gut weg: werden private PKWs ersetzt oder neue Anreize fürs Autofahren geschaffen?

Bremen setzt auf einen weiteren Ausbau des Carsharing, von Fahrradwegen und des öffentlichen Nahverkehrs und versucht, mehr Schnittstellen zwischen den verschieden Fortbewegungsmitteln zu schaffen. Dabei darf eines nicht vergessen werden: nichts ist klimafreundlicher als die Fortbewegung zu Fuß. Von großer Bedeutung für nachhaltige Städte ist daher die Stadtgestalt wie z.B. die Kieze, so Reinhard Loske (Senator für Umwelt, Bau und Verkehr, Bremen): sie sorgen für kurze Wege zu Einkaufsläden und Cafes. Außerdem haben Kieze eine soziale Komponente: sie schaffen Begegnungsorte.

Ein hierzu passendes Konzept sind die „shared spaces“. Sarah Rubinstein (Architektin, London) stellte ein solches Projekt aus London vor: Die Verwandlung der klassisch Auto-dominierten Exhibition Road in einen multifunktionalen Stadtraum. Eine Straße, flankiert von vielen Museen, frequentiert von Schulklassen und  Menschenmassen, alle zusammengedrängt auf einem schmalen Bürgersteig wird zu einer offenen Straße umgestaltet, in der Fussgängern und Flanierenden viel Platz eingeräumt wird, die zwar von Autos passiert werden darf, aber auf wesentlich weniger Straßenfläche. Besonders hieran ist das Design des Straßenpflasters: es ist kreuz und quer von weißen Linien durchzogen und markiert die Bewegungen und Straßenseitenwechsel der Passanten, gleichsam Einladung für Fussgänger und Warnung für Autofahrer.

Für mich ist als Fazit stehengeblieben, dass es nicht eine Strategie gibt, Städte grüner zu gestalten, sondern viele Wege zum Ziel führen. Dabei sind wir eigentlich erst am Anfang. Auffällig ist, dass alle vorgestellten Projekte und Ideen bisher fast ausschließlich als Einzelbeispiele dastehen. Konsens der Teilnehmer der Konferenz aber war, dass wirkliche tiefgreifende Veränderung hin zu grüneren und lebenswerteren Städten nur über einen städtischen/ nationalen/ internationalen Masterplan passieren kann, dem sich alle Maßnahmen eingliedern.
Und: mit der Weiterentwicklung der energie- und CO2-sparenden Technik und der Umgestaltung der Städte und der Fortbewegungsarten müssen auch Verhaltensänderungen jedes Einzelnen einhergehen, wie das Beispiel Masdar zeigt. Eine Stadt kann trotz neuester Technik und Bauweise nur ein Zero-Emission-Ziel erreichen, wenn gleichzeitig auch Energie gespart wird.

Es ist an der Zeit, uns mehr zu trauen und neue Ideen zu erproben!

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